Archiv für das Tag 'Literaturnobelpreisträger'

Sommerferien an der See! Begriff wohl irgendjemand weit und breit, was für ein Glück das bedeutete? So freut sich der kleine Hanno im Roman Buddenbrooks auf Travemünde. Wer versteht diese Freude nicht? Eine Freude, die Literaturnobelpreisträger Thomas Mann auch selbst intensiv spürte. Nacherleben kann man das mit dem Reiseunternehmen Literarisch Reisen, auf der Reise mit dem Titel Wo Man(n) begann.

Ostseemöwe, nachdenklich (Bild: A. Bach)

Ostseemöwe, nachdenklich (Bild: A. Bach)

Die deutsche Ostseeküste zählt mit ihren langen und breiten Sandstränden, den vorgelagerten Inseln und den Dünen- und Boddenlandschafen im Hinterland unzweifelhaft zu den schönsten Urlaubsregionen. Und natürlich ist es die Natur des Meeres mit ihren ganz eigenen Wettergebilden, so wie in diesem Roman beschrieben: im Wechsel von Regen und Sonnenschein, See- und Landwind, stiller, brütender Wärme und lärmenden Gewittern, in den nur hier sichtbaren Farbnuancen und nur hier hörbaren Geräuschen, die die Besucher immer wieder aufs Neue verzaubern. Deswegen zieht diese Landschaft neben Touristen auch immer wieder Künstler und darunter zahlreiche Schriftsteller an, die hier neben Erholung auch Inspiration und Abgeschiedenheit finden und nicht selten für längere Arbeitsaufenthalte bleiben. Und einige einheimische Bewohner dieser Landschaft sind bedeutende Schriftsteller geworden. Zur ersten Gruppe der Besucher zählt z.B. der Dramatiker, Theaterrevolutionär und mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Gerhard Hauptmann, dessen liebstes Refugium die kleine Insel Hiddensee wurde.

Meerjungfrau (Bild: A. Bach)

Meerjungfrau auf Hiddensee (Bild: A. Bach)

Zur zweiten Gruppe zählen die Schriftsteller und Brüder Thomas und Heinrich Mann, die ihre Kindheit in Lübeck und Travemünde verbrachten. Ein dritter Literaturnobelpreisträger, der sich mit der Ostseelandschaft – sowohl mit Hiddensee als auch mit Lübeck – eng verbunden sieht, ist Günter Grass. Nach Hiddensee und Ahrenshoop hat es einst auch einen erholungsbedürftigen Physiknobelpreisträger gezogen: Albert Einstein schreibt 1918 aus Ahrenshoop: Hier ist es wundervoll, kein Telephon, keine Verpflichtung, absolute Ruhe. Ich kann es gar nicht mehr begreifen, wie man es in der großen Stadt aushält. Das Wetter ist nun auch wundervoll. Ich liege am Gestade wie ein Krokodil, lasse mich von der Sonne braten, sehe nie eine Zeitung und pfeife auf die sogenannte Welt… Mit Ahrenshoop sind auch viele Schriftsteller verbunden, darunter Uwe Johnson und Johannes R. Becher.

Diese herausragenden Beispiele seien aber nur erste Hinweise auf eine literarisch reiche Kulturlandschaft an der Ostsee zwischen Travemünde und Swinemünde. Ein Gedicht von Richard Bartz beginnt wie folgt: O Meeresrauschen! Goldner Sommertraum! / Zu Füßen mir zerstiebt der Woge Schaum; / eintönig klatscht des Fischers Ruderschlag. / Im Dünensande träum’ ich Tag für Tag. /Vinetas Türme steigen stolz empor. Seine poetische Sehnsucht gilt also Vineta, dem vielleicht größten Mysterium der Ostseeküste, dem Atlantis des Nordens. Und bis heute werden die traditionsreichen Vineta-Festspiele aufgeführt.

Friedrich Schiller war nie an der Ostseeküste, doch zeigt seine Geschichte des dreißigjährigen Kriegs sehr deutlich auf, dass diese Landschaft unter den Kämpfen zwischen den Schweden und den kaiserlichen Besatzungstruppen sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde: Um sich an dem Herzog von Pommern zu rächen, ließ der kaiserliche General auf dem Rückzuge seine Truppen die schreiendsten Gewalttätigkeiten gegen die Einwohner Pommerns verüben, welche sein Geiz längst schon aufs grausamste gemißhandelt hatte. Nordostvorpommern gehörte bis in das 19. Jahrhundert hinein zu Schweden, und die Begeisterung 1815 Preußen zugeschlagen zu werden, hielt sich bei der Bevölkerung sehr in Grenzen. Die schwedischen Farben Blau und Gelb zieren heute noch die Flagge Hiddensees oder das Wappen von Heringsdorf.

Der Tourismus begann sich erst im 19. Jahrhundert zu entwickeln, zunächst nur für die Oberschicht. Und so entstanden bald beliebte Seebäder wie Travemünde in Holstein oder die Dreikaiserbäder Heringsdorf, Ahlbeck und Bansin auf Usedom.

Der Schuljunge Thomas Mann freut sich auf die Ferien mit der Familie im Seebad Travemünde, auch weil er wusste, dort keine der ihm so verhassten Lehrer in ihren blanken Kammgarnröcken anzutreffen, denn für Lehrer war das Seebad viel zu teuer. Ob der aus Lübeck stammende, spätere Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt sich einen Urlaub in Travemünde leisten konnte, wir wissen es nicht.
1885 entdeckt Deutschlands wichtigster Theaterdichter jener Zeit die Insel Hiddensee. Hauptmann hofft inständig, dass dieser Ort nicht von den Massen entdeckt wird. Er wird sich täuschen und schon 1910 beklagen, dass die Insel ein ekelhaft bekrochenes Eiland geworden sei. In den 20iger Jahren wird die Insel von den Theaterleuten, Schauspielern und Schriftstellern aus Berlin geradezu bevölkert, einige besonders Eilige lassen sich gar per Wasserflugzeug an ihren Sehnsuchtsort bringen. Die Liste der Besucher ist beeindruckend: Neben Stammgast Hauptmann findet man Gustav Gründgens, Billy Wilder, Asta Nielsen, Otto Gebühr, Carl Zuckmayer und viele mehr.

Leuchtturm am Gellen (Bild: A. Bach)

Leuchtfeuer am Gellen auf Hiddensee (Bild: A. Bach)

Andere zieht es an stillere Orte, Kafka macht Urlaub mit Dora Diamant in Müritz und in Ahrenshoop entwickelt sich eine ganz eigene Künstlerkolonie.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs erhofft sich noch mancher den Endsieg von der „Wunderwaffe“ V2, die von Peenemünde aus ein letztes Mal die Bürger Westeuropas in Angst und Schrecken versetzen wird. Die Schriftstellerin Ruth Kraft berichtet uns darüber.Zu DDR-Zeiten zieht es wieder die Bürger und Künstler an die mecklenburgische Ostsee. Und Hunderte versuchen von hier aus eine abenteuerliche, leider oft tödlich endende Flucht gen Westen.Heute ist die Ostseeküste – Ost wie West – und besonders im Sommer fest in der Hand des Massentourismus, aber es gibt sie noch, die Sehnsuchtsorte, und die Orte, wo Künstler und auch Schriftsteller zuhause sind. Mögen die Leser vor oder nach Ihrer Reise in freudiger Voraus- oder Rückschau an den Strand gehen, und dabei vielleicht ähnlich empfinden wie Hanns Cibulka es in seinen Ostsee-Tagebüchern schreibt: Der Wind kam in großen Sprüngen auf uns zu, doppelter Duft, süß und salzig zugleich. Ein paar Möwen zogen mit uns fort. Sie stießen ins Meer, die Welle überspülte sie rauschend.

Wenn Sie bis hierher gelesen haben, so seien Sie willkommen auf unseren Literaturreisen an die Ostsee: Lust auf Literatur, Sommer & Ostseestrand!

© Text: Ansgar Bach

Nobelpreisträger Literatur

Jahr
Nobelpreisträger (Lebensdaten) Land
Gewürdigte Arbeiten und Hervorhebungen

2016
Bob Dylan (*1941 als Robert Allen Zimmerman) USA
für die von ihm geschaffenen neuen poetischen Ausdrucksformen in der großen amerikanischen Songwritingtradition

2015

Swetlana Alexijewitsch (*1948) Weißrussland
für ihr vielstimmiges Schreiben, das dem Leiden und dem Mut unserer Zeit ein Denkmal setzt

2014
Patrick Modiano (*1945, Boulogne-Billancourt bei Paris) F
für seine Art und Weise mit der er das unbegreifliche menschliche Schicksal und die Lebensumstände unter der Besatzung in Erinnerung ruft

2013
Alice Munro (*1931) Kanada,
ausgezeichnet wird die kanadische Schriftstellerin als Meisterin der zeitgenössischen Kurzgeschichte

2012
Mo Yan (*1955) China,
ausgezeichnet wird er für sein Werk, das mit halluzinatorischem Realismus Märchen, Geschichte und Gegenwart vereint

2011
Tomas Tranströmer (*1931) Schweden,
ausgezeichnet wird er für die Sprache seiner Dichtung, ihre höchst verdichteten und durchscheinenden Bilder, die uns einen frischen Zugang zur Wirklichkeit ermöglichen

2010
Mario Vargas Llosa (* 1936) Peru

für seine kartografisch genaue, sprachliche Analyse der Strukturen der Macht und seine bissigen wie auch messerscharfen Bilder vom Widerstand, von der Revolte und der Niederlage des Einzelnen dagegen.

2009
Herta Müller (* 1953) D

für das schriftstellerische Gesamtwerk, darin wird ihre Sprache „die mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet“ hervorgehoben

2008
Jean-Marie Gustave Le Clézio (* 1940) F

für das schriftstellerische Gesamtwerk, darin wird seine Wirkung als „Erforscher einer Menschlichkeit außerhalb und unterhalb der herrschenden Zivilisation“ hervorgehoben

2007
Doris Lessing (* 1919) GB

für das schriftstellerische Gesamtwerk, darin wird ihre Wirkung als „Epikerin weiblicher Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer Kraft eine zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen hat“ hervorgehoben

2006
Orhan Pamuk (* 1952) Türkei

für seine Prosa, mit der er „auf der Suche nach der melancholischen Seele seiner Heimatstadt Istanbul neue Sinnbilder für Zusammenstoß und Verflechtung der Kulturen gefunden hat“

2005
Harold Pinter (1930-2008) GB

für das dramatische Gesamtwerk, darin wird u.a. die Freilegung des Abgrunds „unter dem alltäglichen Geschwätz“ hervorgehoben

2004
Elfriede Jelinek (* 1946) Österreich

für ihre Prosa und Dramen, darin werden eine „einzigartige sprachliche Leidenschaft“, die „die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees“ offenbart, hervorgehoben

2003
J. M. Coetzee (* 1940) Südafrika

für seine Prosa, die „in zahlreichen Verkleidungen die überrumpelnde Teilhabe des Außenseitertums darstellt“

2002
Imre Kertész (* 1929) Ungarn

für das schriftstellerische Gesamtwerk, darin wird die Darstellung „zerbrechlicher Erfahrung des Einzelnen gegenüber der barbarischen Willkür der Geschichte“ hervorgehoben

2001
V. S. Naipaul (* 1932) Trinidad/GB

für das schriftstellerische Gesamtwerk, darin wird „hellhöriges Erzählen und unbestechliches Beobachten“ hervorgehoben

2000
Gao Xingjian (* 1940) China/F

für das schriftstellerische Gesamtwerk, darin wird „universale Gütigkeit, bittere Einsicht und sprachlicher Sinnreichtum“ hervorgehoben

1901
Sully Prudhomme (1839-1907) F

seine Dichtungen unter Hervorhebung der darin liegenden „künstlerischen Vollendung“

1902
Theodor Mommsen (1817-1903) D

seine „historische Darstellungskunst, mit besonderer Berücksichtigung seines monumentalen Werkes Römische Geschichte

1903
Bjørnstjerne Bjørnson (1832-1910) Norwegen

die Gedichte unter Hervorhebung einer darin liegenden seltenen „Seelenreinheit“ Den ganzen Beitrag lesen »